Menschen und ihre Leistungen- Impulse für unsere Zukunft:

Im Gespräch mit Michael Bobik zu den Themen „Klimaschutz, Energie, Katastrophenvorsorge“

Michael Bobik
Michael BobikProfessor an der FH Joanneum und Senior Consultant

©deinshooting.at

Wenn man wie ich Thermodynamik und physikalische Chemie studiert hat, ist man eigentlich bereits mitten im Thema Klimaschutz. Auch wenn damals die Begriffe andere waren, ging es immer um Umwelttechnik. Mein Lebensthema hat sich in der Berufslaufbahn bei Waagner-Biro, Austrian Energy und in der Gründung eines Studienganges an der FH Joanneum logisch fortgesetzt. Das Interesse ist bis heute ungebrochen, die Herausforderung inzwischen eine ganz andere.

„Jeder auch noch so lange Weg beginnt mit dem ersten Schritt.“ Dieser weise Spruch eines chinesischen Philosophen weist den Weg. Die vielen Ursachen des Klimawandels sind nur in vielen Einzelschritten zu mildern. Die Industrie kann man durch Verordnungen dazu veranlassen, neue Wege bei Energie und Emissionen einzuschlagen, sie reagiert rasch. Aber ob das beim Individualverkehr und beim Konsum genauso gut funktioniert, ist fraglich. Wir werden halt nicht mehr jeden Tag in jedem Supermarkt Avocados aus Chile finden. Aber wie erklärt man den Menschen, dass sie auf manche Annehmlichkeiten verzichten sollen?

Es muss ein deutlicher gesellschaftlicher Sprung kommen. Die heute 20-30-jährigen sehen die Welt bereits anders, sodass wir auf eine positive gesellschaftliche Entwicklung hoffen dürfen. Wenn die einen beginnen, Beiträge zu leisten, werden die anderen mitmachen. Ein positives Anzeichen des Umdenkens ist eine Lawine an Literatur und Zeitungsbeiträgen. Jeden Tag werden neue Gegenwartsanalysen, Zukunftserwartungen und Zukunftsforderungen verfasst.

Europa will eine Vorbildrolle einnehmen, wird aber auch erkennen müssen, dass alles viel langsamer gehen wird. Die Erwartung beispielsweise, dass die Stahlerzeugung 2050 über „grünen“ Wasserstoff funktioniert, wird sich aus Mengen- und Kostengründen nicht erfüllen. Österreich hat heute einen Anteil von ca. 70% erneuerbarem Strom; wir sind also begünstigt und können das Thema deshalb etwas entspannter sehen als andere Länder.

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Trotzdem sind wir mit unserem CO2-Fussabdruck gegenüber unseren früheren Versprechungen im Rückstand, ganz besonders im Bereich Verkehr. Immer noch werden große SUVs gekauft. Die Speckgürtel um die Städte werden immer breiter. Das sind die stärksten Faktoren negativer Entwicklung, sowohl finanziell als auch ökologisch. Bodenversiegelung, Versorgungs- und Mobilitätsbedürfnisse stehen diametral zur gewünschten Entwicklung. Österreich hat eine der stärksten Zersiedelungen in Europa. Hier muss man ansetzen.

 

Die Antwort auf die Frage der Energie der Zukunft ist schwierig und einfach zugleich. Wir werden alle Energiequellen, Speicher- und Transportmöglichkeiten brauchen, eine Einzellösung ist nicht in Sicht. Biomasse ist perfekt, wird aber in großen Mengen z.B. aus Russland importiert werden müssen. Alternative Treibstoffe aus Feldfrüchten würden nur für den Flugverkehr reichen, der wohl keine andere Wahl haben wird. Wasserstoff aus Elektrolyse wird die Industrie nicht ausreichend versorgen können und ist nicht unbegrenzt lagerbar. Und was die Technologien betrifft: Die Brennstoffzellen als Antrieb für LKWs sind noch nicht wirklich reif. Ihre mechanische Stabilität ist nicht ausreichend. Wenn ein LKW über eine Schotterstraße rumpelt, nehmen sie Schaden.

Ob es in 30 Jahren etwas radikal anderes geben wird? Was wir 2050 in großem Maßstab anwenden wollen, muss es heute bereits zumindest im Labor geben. Die Hoffnung auf sprunghaft Neues ist ein Irrtum. Wenn wir es über Entwicklung allein nicht schaffen, müssen wir wohl auch verzichten lernen.