Innovative Tunnelbautechnologie beim Projekt Stuttgart 21

Andreas Rath

(c) Deutsche Bahn

Übersicht Projektraum Stuttgart – Ulm; Grafik: Deutsche Bahn

Die Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart ist aktuell das größte Infrastrukturprojekt in Deutschland. 2011 hat die ATCOST21 („Austrian Tunnel Consortium Stuttgart 21“) unter Federführung der PORR den Auftrag für den Fildertunnel sowie die Tunnel nach Ober- und Untertürkheim erhalten – gesamt über 30 km Tunnel, die mit maschinellen und konventionellen Vortrieben aufgefahren wurden.

Das Bahnprojekt Stuttgart – Ulm ist Deutschlands derzeit größte Infrastruktur-Baustelle. Kernstück ist – neben der Neubaustrecke von Wendlingen über die Schwäbische Alb (und damit die europäische Wasserscheide querend) nach Ulm – die Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart mit einem unterirdischen Durchgangsbahnhof im Zentrum und langen innerstädtischen Tunnelabschnitten als Zulaufstrecken im Stadtgebiet von Stuttgart.

Die Herausforderungen – und Lösungen – können in diese Segmente gegliedert werden:
Der Fildertunnel durchörtert mehrere geologische Formationen, die auch die sehr unterschiedlichen Anforderungen an die Vortriebstechnik und den Ausbauwiderstand definieren und die Einteilung in drei Teilbereiche begründen.

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Wendevorgang Schildteil TVM in Wendekaverne Fildertunnel

(c) ATCOST21

Sprengung unter dem Neckar ©links und rechts: ATCOST21

Bereits im Zuge der Angebotsbearbeitungen wurde firmenseitig ein alternatives Auffahrkonzept für den Fildertunnel ausgearbeitet, bei dem ein ursprünglich etwa in Tunnelmitte projektierter ca. 1,3 km langer Zwischenangriff entfallen kann und bei dem die TVM-Abschnitte im Fildertunnel mit nur einer Vortriebsmaschine aufgefahren werden.

Tunnelbauen im Großraum Stuttgart bedeutet auch Bauen im Anhydrit, der bei Kontakt mit Wasser quillt bzw. erhebliche Quelldrücke aufbaut. Der Einsatz von freiem Wasser ist daher verboten. Die sich damit ergebende Problemstellung für eine Ringspaltverfüllung wurde mit einem in Zusammenarbeit der Firmen PORR und MC Bauchemie neu entwickelten Produkt gelöst: einem phosphataktivierten Ringspaltmörtel auf Basis alkali-aktivierter Bindemittel (Hüttensand).

Aufgrund der besonderen geologischen und statischen Randbedingungen erfolgten die Vortriebsarbeiten nicht mittels Ulmenstollenvortrieben, sondern im Vollquerschnitt mit abgestufter Ortsbrust sowie im Schutz von Rohrschirmen DN 168 und einer umfangreichen Spritzbeton-Ortsbrustsicherung mit 1 Ortsbrustanker je m² und zusätzlichen Sohlankerungen.

Die Tunnel nach Ober- und Untertürkheim – eine trockene Sache?

Die Tunnel nach Ober- und Untertürkheim verlaufen in der innerstädtischen Stuttgarter Tallage und werden durchwegs im Sprengvortrieb mit abgestuftem Vollausbruch mit kurzem Ringschluss aufgefahren. Das Neckar-Flussbett sowie die früheren Flusslagen im heutigen Hafengebiet werden durch die vier Röhren auf einem Abschnitt von rund 500 Metern mit Überdeckungen zur Flusssohle zwischen lediglich acht und maximal zwanzig Metern in zwei Ebenen unterfahren. Die Vortriebe der Tunnel nach Ober- und Untertürkheim liegen überwiegend in Bereichen mit geringen Überdeckungen in städtischen Wohn- und Mischgebieten und wurden als Sprengvortrieb im Durchlaufbetrieb projektiert.

Erst durch die Entwicklung und den Einsatz von innovativer Zünd- und Sprengtechnik ist es gelungen, behördliche Einschränkungen auf ein Minimum zu reduzieren: Ein nicht-elektrisches Zündsystem kombiniert Bohrlochzünder mit Verzögerer auf der einen und Oberflächenverzögerer auf der anderen Seite des Sprengschlauches. Durch die erfolgte Optimierung der Zünd- und Ladeschemata konnten die Sprengungen mit minimierten Erschütterungs- und Emissionswirkungen erfolgreich durchgeführt werden.