Klimaneutralität – aber wie?
Patrick Stremler (Dietrich Untertrifaller), Bernhard Jarolim (Stadtbaudirektor Wien), Yvonne Otrob (kaufmännische Direktionsleiterin und Prokuristin der Strabag Hoch-, Ingenieur- und Verkehrswegebau als auch Geschäftsführerin von Mischek Systembau), Bettina Leidl (Museumsquartier Errichtungs- und BetriebsgesmbH), Christian Steininger (Vorsitzender der Fachgruppe TGA), Foto: Stefan Seelig/ÖIAV
Klimaneutralität – aber wie?
Bei der diesjährigen Podiumsdiskussion der Fachgruppe Technische Gebäudeausrüstung stand das Thema Klimaneutralität im Zentrum. Der Andrang und das Interesse war groß – auch eine Vielzahl an Studierenden kam in den Festsaal des OIAV, um mit den Experten zu diskutieren und Visionen für eine klimaneutrale Zukunft zu entwerfen. Bernhard Jarolim, Baudirektor und somit oberster Techniker der Stadt Wien, erläuterte anhand von aktuellen Projekten der Stadt wie u. a. dem Bildungscampus Liselotte Hansen-Schmidt, wie „einfach“ es doch geht: „Wir von der Stadt haben der fossilen Energie längst eine Absage erteilt – und es geht, wir sind stolz mittlerweile alle Bildungscampusse frei von Gas und völlig auf Erneuerbare Energie umsetzen zu können. Die Stadt ist die Lösung – nicht das Problem, das bedeutet auch, dass wir über den Ressourcenverbrauch nachdenken müssen – denn der Green Deal der Europäischen Kommission lässt uns keine Wahl.“
Doch ist das bereits der Weg in Richtung Klimaneutralität? Christian Steininger, Vorsitzender der Fachgruppe TGA, relativierte die Euphorie und brachte die ambitionierten Ziele, die zuletzt von der EU einmal mehr verschärft wurden, ins Treffen: „Alles im Neubau kein Problem – doch wie machen wir das im Bestand?“ Es wird gemeinsame Anstrengungen benötigen, bis 2050 klimaneutral zu werden: „Dazu benötigen wir kompetente Planer – aber ebenso innovative Bauherren und kluge Fachkräfte. Da fehlt es aber an Ausbildungen, eine Gebäudetechnikausbildung wäre dringend nötig.“
Mit Bettina Leidl, der Chefin der Museumsquartier Errichtungs- und BetriebsgesmbH, saß eine sogenannte Vorzeigebauherrin am Podium: „19 Grad und weniger Beleuchtung in allen Museen sind ein paar Tropfen auf den heißen Steinen. Wir müssen unseren Bestand vor allem klimafit machen.“ Leidl sieht die Fachkräfteproblematik von der anderen Seite: „Wir haben tolle Mess-, Steuerungs- und Regelungssysteme – die eine Menge Energie einsparen helfen, doch uns fehlen die Mitarbeiter, die das Wissen haben, mit diesen Systemen umzugehen.“
Gleichgewicht anstreben
Klimaneutralität bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und der Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre in Kohlenstoffsenken herzustellen. Doch um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden. Für Yvonne Otrob, kaufmännische Direktionsleiterin und Prokuristin der Strabag Hoch-, Ingenieur- und Verkehrswegebau als auch Geschäftsführerin von Mischek Systembau, ein erreichbares Ziel: „Wir schaffen die Klimaneutralität, wenn wir alle zusammenarbeiten – vom Architekten bis zum Haustechnikplaner und wir müssen die Werkzeuge der Digitalisierung nützen.“
Doch gibt es genug Wissen bei den Planern, um diese Bauten zu realisieren? Patrick Stremler, Architekt und Stadtplaner und Managing Partner bei Dietrich Untertrifaller, ist davon überzeugt, dass es das Wissen gibt: „Wir sehen auch bei uns im Büro – die Jungen sind längst auf das Thema Klimaneutralität fokussiert, aber wir brauchen viel mehr Flexibilität, in unseren Entwürfen, in den Grundrissen – denn Gebäude müssen einen viel längeren Lebenszyklus haben als bis dato üblich, das gelingt nur, wenn diese rasch und unkompliziert umgenutzt werden können.“
Bernhard Jarolim berichtete vom soeben gestarteten Pilotprojekt, der digitalen Baueinreichung, BRISE – für ihn liegt hier der Schlüssel zu mehr Tempo, zu rascheren Umsetzungen bei Baueinreichungen und -genehmigungen. Denn, so war sich das Podium einig, die Herausforderung der Zukunft liegt im Bestand, der muss klimafit gemacht werden. Und das Thema Klimaneutralität muss in den Köpfen der Bevölkerung ankommen, dazu ist noch einiges an Bewusstseinsarbeit nötig.
Fotos: Stefan Seelig/ÖIAV