Menschen und ihre Leistungen- Impulse für unsere Zukunft:

Im Gespräch mit Volker Schaffler zu den Themen „Klimaschutz, Energie, Katastrophenvorsorge“

Volker Schaffler
Volker SchafflerProgrammmanager und Forschungskoordinator beim Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Energie, Innovation und Technologie

©Petra Blauensteiner/ÖGUT

Persönlicher Zugang? Ich kenne nichts anderes. Seit dem Studium – Wirtschaftsingenieurwesen und post-graduate Risiko- und Katastrophenmanagement befasse ich mich mit Nachhaltigkeit und den dafür erforderlichen Veränderungen.

Mir wurde früh klar, wohin die Reise gehen muss und ich orte sehr große Kommunikationsdefizite als Ursache vieler Probleme. Es gelingt uns nicht, das Win-Win-Potential und den Mehrwert der Green Jobs für die nationale Volkswirtschaft herauszuarbeiten. Es sieht nach Konflikten aus, wo es keine geben sollte. Gerade die Umstellung auf nachhaltige Wirtschaft eröffnet riesige Chancen für regionale Märkte und Geschäfte.

Österreichs Wirtschaft ist auf den Weltmarkt ausgerichtet, ebenso wie die europäische. Wir müssen daher Frontrunner sein und sind es auch, siehe die EU mit FIT for 55. Wir müssen Wege finden, unsere globalen Interessen mit den regionalen in Einklang zu bringen. Warum sollte das nicht gelingen? Digitalisierung und Nachhaltigkeit schaffen viele Geschäftsmöglichkeiten.

Was uns fehlt in Europa, ist der richtige Umgang mit Visionen. Die Amerikaner gehen anders an Aufgaben der Zukunft heran. Ihr Denken ist anders geprägt. Denken wir an die vielen europäischen Startups, die am Ende von Amerikanern aufgekauft werden. Das tut weh. Amerikaner schaffen Business Cases und wir haben Angst, dass sie uns fehlen. Amerikaner setzen ihr Kapital anders ein. Das Kapital ist vorhanden, auch in Europa.

Wir diskutieren 10 Jahre über den Datenschutz, weil wir es nicht geschafft haben, den persönlichen Datenschutz zu sichern und dabei das öffentliche Dateninteresse zu wahren. Anonyme, aggregierte Daten sind die Schätze unserer Zeit. Sie müssen das Ziel zukunftsgerichteter Wirtschaftsunternehmen sein.

Nie vergessen dürfen wir die Menschen und ihre liebgewordenen Gewohnheiten und berechtigten Interessen. Die Menschen wollen nicht aufs Auto und aufs Fliegen verzichten. Sie wollen die Welt erkunden. Wir dürfen die Nachhaltigkeit nicht über eine Verzichtsdiskussion argumentieren. Wir müssen die Menschen positiv motivieren. Dass das funktioniert, haben wir an der Automobilindustrie gesehen. Zuerst gab es Rechtsprobleme und Streit wegen Abgasnormen und Abgasmanipulationen. Dann kam ein radikales politisches Umdenken vor allem in Europa, parallel zu einer massiven Motivationsdiskussion in der Bevölkerung, und schon nach wenigen Jahren war die Automobilindustrie auf Elektromobilität umgestellt. Es ist also möglich und die Menschen gehen mit.

Am Ende wird die Wissenschaft den Karren herumreißen. Technologien werden neue Wege ermöglichen. Wie schnell das gehen kann, haben wir am Corona-Impfstoff gesehen. Die Technologie muss sich immer am menschlichen Verhalten orientieren. Es wird keine hundertprozentige Abfalltrennung geben, es wird keinen hundertprozentigen Mobilitätswandel geben und wir werden nicht 100 Prozent energieoptimierte Gebäude errichten, das wäre nämlich ein Gebäude ohne Fenster. Wir werden immer nur 80/20 schaffen und das genügt auch und wir werden die den Menschen nicht zumutbaren 20 Prozent durch Technologie ermöglichen. Künstliche Intelligenz wird menschliche Schwächen ausgleichen.

Die intelligenten Systeme müssen im Hintergrund wirken, die Nutzer sollen sie gar nicht bemerken. Gebäude werden mit Überschussenergie handeln und das wird über Zwischenhändler und intelligente Systeme geschehen. Das wird wieder neue regionale Wertschöpfung ermöglichen und wir werden zunehmend unabhängig von ausländischen Energiequellen. Die Zukunft der Energie ist eine vollkommene Flexibilisierung in der Energieproduktion und im Energieverbrauch. Dafür entstehen gerade zahlreiche neue Technologien.

Die Baubranche muss allerdings noch radikal umdenken, um auf den Technologiezug aufzuspringen. Warum reagiert die Baubranche nicht so wie die Autoindustrie? Woran liegt das? Wo fehlt es an politischen Rahmenbedingungen, rechtlichen Regulativen und menschlicher Motivation?

Katastrophen sind ja nur Katastrophen, wenn Menschen betroffen sind. Zersiedelung und Urbanisierung machen immer mehr Naturereignisse zu Katastrophen, der Klimawandel führt zu neuen Katastrophen. Resilienz in der Infrastruktur ist höchst komplex und vielfältig abhängig. Wenn man den Wald oben abholzt, muss man unten alle Pläne anpassen. Das HQ1000 wird zum HQ100. Ein Hochwasserschutzdamm mindert das Risiko nicht. Risiko ist Eintrittswahrscheinlichkeit x Auswirkung. Der Schutzdamm reduziert die Eintrittswahrscheinlichkeit und vergrößert die Auswirkung für den Fall seines Brechens. Retentionssysteme reduzieren tatsächlich das Risiko. Ein Beispiel für richtiges Denken und Handeln.