Menschen und ihre Leistungen- Impulse für unsere Zukunft:

Im Gespräch mit Marion Huber-Humer

Marion Huber-Humer

Verschwendung ist zum Statussymbol unserer Gesellschaft geworden.

Abfallwirtschaft beginnt vor dem Kauf. Ein gesamthaftes Umdenken unserer Werte ist notwendig.

Die BOKU hat sich als Universität der Nachhaltigkeit verschrieben. Sie versteht Nachhaltigkeit in all ihren Aspekten, ökologisch, technologisch, sozial, wirtschaftlich. In der Abfallwirtschaft hat das systematische Kreislaufwirtschaft-Denken bereits in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, im regulativen Bereich besonders im deutschen Sprachraum, begonnen. Jetzt, v.a. ausgelöst durch ambitionierte EU-Vorgaben, beginnt dieser Denkansatz weite Bevölkerungskreise, Politik und Wirtschaft zu durchdringen. In diesem Sinne könnten wir optimistisch sein. Skeptisch müssen wir sein, weil die Menschen träge Gewohnheitstiere sind. Es dauert lange, bis wir liebgewonnene Gewohnheiten ändern. COVID können wir als Chance sehen, wobei nicht sicher ist, ob wir sie ergreifen werden.

Mülldeponie bei Perm (Russland) © ABF- BOKU

Professor Marion Huber-Humer wirkt aus Überzeugung. Wie bei vielen anderen hat sich diese Überzeugung zum Schutz von Natur, Tieren und Umwelt bereits als Kind manifestiert. Ihre Berufsentscheidung fiel im Rahmen einer BOKU-Informationsveranstaltung schon zu Schulzeiten. Die Forschungstätigkeit hat sich aus Diplomarbeit und Dissertation zum Thema „Vermeidung von Methanemissionen auf Deponien“ ergeben.

Die Kreislaufwirtschaft ist in höchstem Maße gesellschaftsrelevant. Institut und Universität agieren daher konsequent gesellschaftsnahe und gesellschaftsorientiert. Sie gehen an Schulen, sie gehen in die Medien, sie nehmen an EU-Förderprogrammen teil und sie sprechen mit Vertreter/innen von Politik und Wirtschaft, mit dem Ziel der Bewusstseinsbildung. Unser alltäglicher Abfall ist ein ungewolltes und unbewusstes Thema. Das gilt es zu ändern. Ein konkretes Forschungsthema dabei sind z.B. Lebensmittelabfälle.

Produktvermeidung und sparsamer Ressourcenverbrauch sind die Schlüssel der Lösung. Wenn ein Produkt einmal Abfall geworden ist, ist es weit zu spät. Abfall begleitet uns von Geburt an bis weit über den Tod hinaus. Wir hinterlassen Abfall in großen Mengen, vieles davon für Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte. Wir, das sind vorwiegend die Konsumgesellschaften der Industrieländer. Aber auch die sich gerade erst entwickelnden Gesellschaften beanspruchen (nicht zu Unrecht) ihr Recht auf eine Vielfalt an Produkten und damit Abfall.

In unseren reifen Gesellschaften gibt es sehr positive Tendenzen, in den sozialen Medien, als gesellschaftlicher Druck von unten nach oben. Jeder und jede muss aufmerksam mit sich selbst, mit den nächsten und mit der Umwelt umgehen. Den Egoismus müssen wir zurückschrauben. Etwas nicht zu haben oder nicht zu brauchen müssen wir als die neue Freiheit erkennen. Abschied von der Gigantomanie als Lebenscredo. Natürlich braucht es auch die Impulse der Führenden in Politik und Wirtschaft, um die Bevölkerung zu gewinnen.

Eine interessante Beobachtung aus Forschungsprojekten mit anderen Gesellschaftssystemen wie z.B. Weissrussland ist, dass dort das Material, dass Abfälle noch als Wert verstanden werden, weil es Beschränkungen und Mangel gibt. Dieser Vergleich zeigt die Veränderung unserer Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten.

Müssen Freiheit und Wohlstand immer Verschwendung bedeuten?