Menschen und ihre Leistungen- Impulse für unsere Zukunft:

Im Gespräch mit Leonore Gewessler zu den Themen „Klimaschutz, Energie, Katastrophenvorsorge“

Leonore Gewessler
Leonore GewesslerBundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

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Mein persönlicher Zugang zum Thema?

Der Kampf gegen die Klimakrise ist die große Frage unserer Zeit und unsere historische Verantwortung. Die Naturgewalten, Extrem- und Unwetterereignisse halten uns mittlerweile ständig vor Augen, welche Zukunft vor uns liegt, wenn wir nicht jetzt und engagiert tätig werden und handeln. Diese Erkenntnisse sind vom Prinzip her nicht neu, schon seit vielen Jahren weisen Wissenschaftler:innen darauf hin, in welche Richtung die Reise geht, wenn das Steuer nicht rechtzeitig herumgerissen wird. Die Dringlichkeit hat sich jedoch gesteigert und die Herausforderung ist breiter geworden. Weltweit schwenken immer mehr Staaten immer stärker auf Klimaschutz ein. Das hat eine gewaltige Technologietransformation ausgelöst. Somit ist Klimaschutz mittlerweile nicht nur ein Garant für eine lebenswerte Zukunft, sondern auch ein Garant für ein gute Perspektive und ein absoluter Job- und Wirtschaftsmotor. Die Herausforderung anzunehmen und entschieden für eine Zukunft zu kämpfen, die auch nachfolgenden Generationen Chancen bietet, war und ist auch meine persönliche Motivation, in die Politik zu gehen.

Klima ist ein weltweites Thema. Haben wir da Hoffnung auf Lösungen?

Die Berichte des Weltklimarates zeigen sehr schön, dass es Wege für Transformationen gibt, die echte Lösungen sein können. Wir kennen bereits Dreiviertel der Technologien, die wir für die Lösung der Klimakrise nutzen können und Großteils nutzen. In vielen Studien werden für alle Bereiche konkrete Wege aufgezeigt, wie wir Klimaneutralität erreichen können. Diese Wege werden je nach Größe der Probleme und den technischen und ökonomischen Möglichkeiten anders aussehen, aber vieles wurde bereits erfolgreich eingesetzt. Davon gilt es jetzt und in Zukunft verstärkt Gebrauch zu machen.

Und klar ist auch: Klimaschutz gelingt nur gemeinsam. Das gilt für uns in Österreich, in Europa und in der Welt. Ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen sind das Gebot der Stunde, die Zeit zum Handeln ist jetzt. Habe ich Hoffnung auf Lösungen? Ja, natürlich! Kann Klimaschutz gelingen? Selbstverständlich! Nichtstun ist keine Option. Wir haben uns klare Ziele gesetzt: Klimaneutralität in Österreich bis 2040. Klimaneutralität und Klimaresilienz in der EU bis 2050. Maximal 1,5 Grad Erwärmung global. Die Ziele sind da und die Lösungen – ein voller Werkzeugkoffer, eine breite Palette an Maßnahmen von erneuerbaren Technologien über ökosoziale Steuerreformen, dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs bis hin zur Bewusstseinsbildung – ebenfalls. Wir brauchen jetzt den Mut und das Engagement, Maßnahmen zu setzen und dem Weg in eine klimafreundliche Zukunft weiter, verstärkt einzuleiten und voranzutreiben.

Was nützen Bemühungen von Einzelpersonen? Macht das überhaupt Sinn?

Wir müssen in der Politik die Weichen stellen, dürfen uns nicht scheuen, hier klar Flagge zu zeigen. Aber erfolgreich können wir nur sein, wenn wir möglichst viele Menschen mitnehmen und überzeugen. Denn Klimaschutz ist ein wesentlicher Faktor der für mehr Lebensqualität in unser aller Leben sorgt, keine Freiheiten beschneidet, sondern im Gegenteil diese für die Zukunft bewahrt und gewährleistet.

Was sollen Österreich und die EU tun?

Österreich und die EU haben eine enorme Verantwortung, auch die Verantwortung, Vorreiter zu sein. Wir nehmen diese Verantwortung ernst. Unser Ziel ist die Klimaneutralität, in Österreich bis 2040, in der EU bis 2050 – und in weiterer Folge dann auch global. In Österreich stagnieren die Emissionen. Es gibt also viel zu tun. Deshalb wurden unter anderem mit dem Erneuerbaren Ausbau Gesetz, dem KlimaTicket, einem historisch großen Bahn-Ausbau-Paket die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen. Österreich nutzt auch den europäischen Wiederaufbaufonds primär für Klimaschutzzwecke. Mit dem Fit-for-55 Paket arbeiten wir auf EU-Ebene an den nächsten Schritten. Wir haben den richtigen Weg vorgezeichnet. Jetzt geht es darum, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Es liegt auf der Hand, dass dieser Weg nur mit einer klimafreundlich ausgerichteten Wirtschaft begangen werden kann. Ambitionierte Klimapolitik ist zugleich eine riesengroße Chance für unsere Wirtschaft. Denn die klimafreundliche Transformation schafft die Gesellschaft, die Wirtschaft von morgen. Sie ist unsere Zukunft.

© BMK/Cajetan Perwein

Förderung der Erneuerbaren Energiequellen © BMK/Cajetan Perwein

Was ist die Energie der Zukunft? Wasserstoff? Sonne? Batterieelektrik? Nuklear? Sonst?

Atomkraft ist unberechenbar und gefährlich, teuer und veraltet. Die Zukunft der Energie ist erneuerbar. Wir haben mit dem Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) die Energiewende für Österreich eingeleitet. Österreich wird bis 2030 seinen Strom ausschließlich aus Biomasse, Windkraft, Wasserkraft und Sonnenenergie erzeugen. Das ist der Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter. Damit haben wir einen historisch extrem bedeutsamen Schritt gesetzt. Grüner Wasserstoff braucht in erster Linie sauberen Strom zur Herstellung. Sehr klar absehbar ist, dass er ein knappes und teures Gut sein wird. Klar ist auch, dass es Bereiche gibt, die nur mit grünem Wasserstoff dekarbonisierbar sind. Insofern ist grüner Wasserstoff in einigen Bereichen ein wesentlicher Pfeiler für Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit – wenn wir ihn richtig einsetzen.

Werden Katastrophen zunehmen? Wie können wir vorsorgen?

Die veröffentlichen Daten und Ergebnisse des IPCC zeigen deutlich, dass weiter wie bisher für uns alle keine Option ist. Wir werden überall auf der Erde, auch in Österreich, verstärkt mit uns nun bekannten Extrem- und Unwettern, Trockenheit und Hitze in unseren Regionen und Städten rechnen müssen. Die Klimakrise sorgt für verwüstete Landstriche, schadet unserer Wirtschaft mit immens hohen Folgekosten in Milliardenhöhen, zerstört Lebensgrundlagen, Existenzen und Arbeitsplätze. Der Bericht bestätigt jedoch auch, dass bei Vorantreiben ambitionierter Klimaschutzmaßnahmen eine Eindämmung der voranschreitenden Klimakrise möglich ist. Neben Klimaschutz ist daher auch die Anpassung an die nicht mehr vermeidbaren Folgen der Klimakrise entscheidend. Unsere Klimapolitik muss sich auf diese beiden Säulen stützen. Österreich war 2012 unter den ersten EU-Staaten, die ein strategisches Konzept zur Klimawandelanpassung mit einem umfassenden Aktionsplan zur Umsetzung konkreter Handlungsempfehlungen verknüpften. Diese Österreichische Strategie zur Anpassung an den Klimawandel, im Jahr 2017 aktualisiert, ist das zentrale Leitdokument in diesem Bereich. Mit unseren Klimawandelanpassungsmodellregionen KLAR!, einem sehr erfolgreichen Projekt meines Ressorts gemeinsam mit dem Klimafonds, zeigen wir konkret, wie wir die Zukunft klimafit gestalten können.

Was können Technik und Naturwissenschaft beitragen? Sehen wir es als Thema von Entwicklung oder Verzicht?

Technik und Naturwissenschaft sind ein reichhaltiger Boden aus dem die Politik schöpft. Wir haben den Anspruch faktenbasierte Entscheidungen zu treffen, die Forschung ist ein wesentlicher Partner dabei. Mit Hilfe der Technik werden wir klimafreundliche Innovationen vorantreiben und Lösungen umsetzen, um die Probleme von heute und morgen beseitigen zu können. Jedoch wird es für erforderliche Trendwende im Klimaschutz nicht ausreichen, sich allein auf die Technik zu verlassen. Was es braucht, was wir in Österreich, in der EU brauchen ist einen Wandel im System.

Wir müssen alte verkrustete Praktiken und Verhaltensweisen überdenken, die unserem Planeten schaden und damit auch letztlich uns selbst bedrohen. Ja, es geht um die Aufrechterhaltung unserer Lebensqualität, doch das gelingt auf unterschiedliche Weise und muss nicht in den veralteten Mustern der Vergangenheit wurzeln. Wir werden mit unserer Klimaschutzpolitik mutig vorangehen und uns nicht vom alten Denken bremsen lassen.