Menschen und ihre Leistungen- Impulse für unsere Zukunft:

Im Gespräch mit Jürgen Schneider zu den Themen „Klimaschutz, Energie, Katastrophenvorsorge“

Jürgen Schneider
Jürgen Schneider

©H.Ringhofer

Mit einer fundierten Ausbildung zum Biochemiker und einem bereits längeren Berufsleben genau in diesem Themenkreis Klimaschutz und Energiewende weiß man Bescheid über die Dringlichkeit. Im Privatleben bemühen wir uns, nicht Wasser zu predigen und Wein zu trinken. Die täglichen Wege werden mit dem Fahrrad zurückgelegt und das Vermeiden von Flugreisen gehören zum Selbstverständnis.

Gerade weil die Klimakrise ein globales Thema ist, braucht es Staaten und Kontinente, die zeigen, wie es geht, wie man ohne fossile Energie gut leben und wirtschaften kann. Österreich muss als hoch entwickeltes Industrieland und Wissensgesellschaft mit bestausgebildeten Menschen ebenso wie die EU als „Role Model“ zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft vorangehen. Unsere Ausgangsposition ist dabei gut, die Chancen viel höher als die Risiken, denn: Aussitzen kann man die Klimakrise ganz sicher nicht. Das ist wissenschaftlich klar belegt. Nichts tun wäre grob fahrlässig und würde die kommenden Generation vor unlösbare Probleme stellen. Es gibt aber heute viel mehr berechtigte Hoffnung als noch vor ein paar Jahren. Ein globaler Prozess ist im Gange, regelmäßige weltweite Klimakonferenzen arbeiten an der Erarbeitung und Umsetzung globaler Klimaschutzübereinkommen und generell ist das Bewusstsein über die Dringlichkeit des Umsteuerns so hoch wie noch nie.

Wirtschaftlich kommt uns eine beachtliche Kostendegression bei erneuerbarer Energie zugute. Erneuerbare elektrische Energie ist heute bereits billiger als fossile.

Elektrischer Strom wird die wesentliche Energieform der Zukunft sein. Der Anteil von derzeit nur 20% am energetischen Endverbrauch wird dramatisch ansteigen. Der Energiebedarf für Mobilität und Wärme wird zunehmend elektrisch gedeckt. In der Industrie wird erneuerbarer Wasserstoff eine größere Rolle spielen, insbesondere wo die Prozesse hohe Temperaturen erfordern wie bei der Stahlindustrie, in der Metallurgie.

Wasserstoff ist eine Lösung, vor allem bei schwer zu elektrifizierenden Anwendungen aber nicht DIE Lösung. Kernkraft ist aus österreichischer Sicht keine Lösung. Weder die Ökonomie noch die Sicherheit passen. Bei der Stromerzeugung werden Photovoltaik und Windkraft dominieren, die Speicherung durch Pumpspeicherwerke ist in Österreich gut ausgebaut, chemische Speicher werden laufend weiterentwickelt.  In der Verteilung müssen wir die natürliche Volatilität durch smarte Systeme ausgleichen und auch durch Investition in entsprechende Leitungsnetze, um Angebot und Nachfrage jederzeit abstimmen zu können.

Information und Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger sind wesentliche Schlüssel zur Lösung. Rahmenbedingungen wie Preissignale sind so zu setzen, dass klimafreundliches Wirtschaften und Verhalten honoriert wird und klimaschädliches Verhalten unattraktiv wird, und dies ist auch zu erläutern. Die sozialen Auswirkungen sind immer mitzubetrachten, insbesondere wenn es um Verteuerungen geht; hier sind klimafreundliche Alternativen zu entwickeln und anzubieten.

Die Diskussion über den Verzicht wird komplett verzerrt geführt. Eine klimaneutrale Welt ist keine Bedrohung, sondern ein attraktives Zukunftsbild.  Wo liegt der Verzicht, wenn gute Luft beim Fenster reinkommt, wir jederzeit in eine intakte Umwelt raus können und mit dem Fahrrad oder mit den Öffis fahren? Die größte Bedrohung für die Lebensqualität liegt im Nicht-Handeln gegen die Klimakrise.

Katastrophen werden leider zunehmen.  Die Claudius Clapeyron Gleichung sagt uns, dass pro zusätzlichem Grad Temperatur 7% mehr Wasserdampf von der Luft aufgenommen werden. Und der kommt dann als Starkregen herunter.  Mit längeren Regen- oder Hitze-Perioden ist zu rechnen. Extreme nehmen in der Frequenz und an Schwere zu. Auch die Diskussion über die Änderung der Jet Streams  – das sind Starkwindbänder, die meist im Bereich der oberen Troposphäre starken Einfluss auf unser Wettergeschehen haben können – zeigt, dass die Klimakrise neue, bisher wenig erforschte unangenehme Überraschungen mit oft katastrophalen Folgen bereithält.

Neben dem Klimaschutz werden wir Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen brauchen, im Wald, beim Hochwasserschutz, im Bauwesen, … wir werden andere Bäume pflanzen, unsere Häuser werden grüne Fassaden haben, neue Arten der Beschattung, neue Methoden energieschonender Kühlung. Viele Sektoren werden betroffen sein.

Krisen zwingen uns, unsere Lieferketten zu überdenken. Wollen wir das weltweit erfolgreich exportierende Industrieland bleiben, werden wir sie resilient gestalten müssen.

Technik und Naturwissenschaften können extrem viele Lösungen beitragen. Elektrische Energie wird künftig zu 100% erneuerbar gewonnen werden. Energieeffizienz wird den Verbrauch senken helfen. Die Digitalisierung wird dazu beitragen, steuernde Netze aufzubauen und damit Prozesse ökologisch und ökonomisch zu optimieren.

Am Ende muss es aber immer eine Welt für alle Menschen bleiben, lebenswert auch für nicht so technikaffine und technologiebegeisterte.