Menschen und ihre Leistungen- Impulse für unsere Zukunft:

Im Gespräch mit Alfred Teischinger zu den Themen „Klimaschutz, Energie, Katastrophenvorsorge“

Alfred Teischinger
Alfred TeischingerHolztechnologe, Prof. i.R. der BOKU Wien

In der frühen Jugend begeistert für die Berge, habe ich schnell erkannt, wie sich die Gletscher in der Schweiz und in Österreich dramatisch verändern. Das Interesse ging bis zu einem Studienwunsch: Meteorologie und Klimatologie. Geworden ist es die Holzwirtschaft und später die Professur für Holztechnologie an der BOKU in Wien. Ein zweiter persönlicher Zugang war ein Arbeitsaufenthalt in den USA und Kanada 1974. Dort wurde etwa 10 Jahre vor Europa bereits über die Katalysatorpflicht bei Autos diskutiert und das im Autoland Amerika. Der emissionsbedingte „saure Regen“ und das Waldsterben der 1980er Jahre haben dann auch die Einführung der Kat-Pflicht in Europa beschleunigt. Heute sind unsere Wälder wieder grün.  Die Erkenntnis fürs Leben daraus: Man kann etwas tun.

Der Klimawandel ist eine noch nie dagewesene globale Herausforderung, wie es die beiden Weltkriege in anderer Form auch waren. Die globale Vernetzung erschwert den Lösungsansatz. Regionale Lösungen greifen zu kurz, sowohl bei den Strategien als auch bei den Massnahmen. Ein Land allein kann nichts bewirken. Die UN Sustainable Development Goals versuchen, einen weltweiten Rahmen und Prioritäten zu setzen. Aus ihrer grossen Flughöhe muss man allerdings zur konkreten Umsetzung gelangen.

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Holzhochhaus (HoHo) in Holzhybridbauweise in Wien Aspern. Mit 84 m Höhe zwischenzeitlich das weltweit höchste Holzgebäude als Beispiel eines neuen urbanen Holzbaus mit einem signifikanten Beitrag zur Speicherung von Kohlenstoff als CO2 Äquivalent im Baustoff Holz. © Kerbler Holding GmbH, Wien

Das wird die weltweite Politik herausfordern. Zentral regierte Staaten wie China haben es scheinbar leichter als marktwirtschaftlich orientierte Demokratien. Wir dürfen China in seinen Anstrengungen zur Umwelt nicht unterschätzen. China beginnt nur auf einem anderen Niveau als wir in Europa. China ist zum Beispiel weltweit führend in der Wiederaufforstung, beruhend auf der begründeten Angst, dass die Wüste bis nach Peking vordringt.

Um den Wert einzelner Massnahmen und Engagements zu würdigen, helfen uns Metaphern wie ein fertiges Puzzle, eine feingliedrige Petit-Point-Stickerei oder Bilder von Impressionisten und Pointillisten. Obwohl nur das Gesamtbild wirkt, erkennt man sofort, wenn ein Teil fehlt. Wo sind beim Klimaschutz die Menschen, die das Puzzle legen, kunstvoll sticken oder malen, die das Ganze global organisieren? Denn eine Kunst wird es allemal sein,  die Welt wieder ins Lot zu bringen.

Oft stossen wir an die Grenze der Demokratie, wenn Einzelmassnahmen hinterfragt und kritisiert oder gebotene Massnahmen nicht akzeptiert werden. Die Antwort kann nur sein: Wir wählen die Abgeordnenten zum Parlament und damit die Regierung und die sagen uns über Gesetze und Verordnungen, was wir tun sollen, und das immer wieder.

Die EU zeigt mit ihren neuen Initiativen wie „European Green Deal“  und „Neues Europäisches Bauhaus“ deutlich auf, wie sich zumindest Europa in Richtung Nachhaltigkeit bewegen kann. Die Richtung stimmt, aber der Teufel liegt wie immer im Detail. Dies veranschaulicht auch die aktuelle heftige Diskussion zu dem den Green Deal begleitenden Maßnahmen Katalog „Fit for 55“.  „Öko-Planspiele im grünen Elfenbeinturm“ oder „das Ende der Marktwirtschaft“ sind nur einige Titel von Zeitungskommentaren dazu. Wieviel wird also von den Maßnahmen realisiert werden können? Wird es Zustimmung in allen EU-Mitgliedsländern geben?

Die Energieformen der Zukunft werden wir über zeitliche Abfolgen in Phasen erleben. Vieles ist in Entwicklung, aber nicht fertig. Das betrifft den grünen Wasserstoff, die Sonnenenergie und vor allem auch die Kernkraft. Man darf sie nicht a priori abtun, ein technologischer Entwicklungssprung kann sie sinnvoll nutzbar machen. Einige Länder halten an ihr fest. Die Sonne könnten wir in Nordafrika nutzen, mit grünem Wasserstoff als schiffbarem Transportmedium. Das würde viele Probleme lösen. Aber wann wird diese Region politisch verlässlich genug sein, um unsere Energiezukunft darauf zu bauen?

Bei allen Bemühungen der Naturwissenschaften geht es am Ende immer um politische und gesellschaftliche Lösungen. Den Klimawandel zu stoppen ist ein extrem langfristiges Unterfangen und die Katastrophenvorsorge hängt eng damit zusammen. Die Hochwässer im Sommer dieses Jahres haben uns das vor Augen geführt. Hochwasserschutzprojekte greifen sehr deutlich in das Gefüge von Ortschaften und Uferzonen ein, wie wir an der österreichischen Donau und anderen Flüssen beobachten können.

Eine entscheidende Funktion hinsichtlich Hochwasserschutz und Wasserversorgung kommt dem Wald zu. Der Wald ist wichtigster Bestandteil eines ausgeglichenen Wasserhaushaltes unseres Landes. Im Wald wird ein Teil des Regenwassers von den Baumkronen zurückgehalten und der größte Teil wird am Waldboden von Moosen und der Humusschicht aufgenommen und für einen kontinuierlichen Abfluss zwischengespeichert. Wenn der Wald seine Funktion in der Wasserrückhaltung nicht mehr wahrnehmen kann, hat das dramatische Folgen. Ohne den Schutzwald im Inntal und seinen Seitentälern wäre beispielsweise  Innsbruck nicht besiedelbar.

Der Klimawandel betrifft aber auch den Wald und die Anpassung des Waldes an den Klimawandel ist daher von großer Bedeutung.  Österreich investiert aktuell über das Waldfondsgesetz 350 MEUR in die Forstwirtschaft für neue klimaresistentere Baumarten sowie für die Entwicklung von resilienteren Waldbewirtschaftungsformen und Schädlingsbekämpfung.

Auch mit Bezug zur Treibhausproblematik (CO2) und dem Kohlenstoffkreislauf sind Wald und Holz von eminenter und oft unterschätzter Bedeutung für unsere Gesellschaft. Der Wald selbst bildet eine enorme Kohlenstoffsenke und ein Holzzuwachs durch effiziente Waldbewirtschaftung und vor allem auch durch die Nutzung von geerntetem Holz als Bau- und Werkstoff – oft auch als „zweiter Wald“ in der bebauten Welt bezeichnet – ergibt nach Berechnungen für Deutschland eine jährliche Speicher- und Substitutionswirkung von 91 Millionen Tonnen CO2.

Europa darf jedoch nicht der Versuchung unterliegen, eine Insel der Seeligen zu spielen und sich bei diesen großen Fragen für die Zukunft von globalen Herausforderungen abzukoppeln. Global gesehen müssen wir für Ausgleich sorgen. Alle Menschen haben ein Recht auf die Grundbedürfnisse des Lebens und eine angemessene Lebensqualität. Wenn wir dieses Recht allen Menschen auf der Erde gleichermaßen zugestehen, wird es sehr eng auf diesem Planeten.  Wenn wir uns bisher in Europa zu viel von diesem Recht herausgenommen haben, müssen wir verzichten lernen, selbst wenn große Hoffnungen auf menschlichem Geist, den Glauben an Wissenschaft und Technik und die damit verbundene Kraft für Innovation und das Auffinden neuer Wege ruhen.