Lebenszykluskosten

Maß für die ökonomische Nachhaltigkeit von Gebäuden

Helmut Floegl

Warum denken die allermeisten Beteiligten in großen Bauprojekten nur bis zur Fertigstellung des Gebäudes oder bestenfalls bis zum Ende der Gewährleistungsfrist, wo doch das dicke Ende der Kosten erst in den darauffolgenden Jahrzehnten des Betriebs kommt?

Es sind die Nutzer, die in den Jahrzehnten der Nutzungsphase durch ihre Miete, Pacht oder andere Formen der Nutzungsgebühren die Errichtungskosten und den Gewinn des Bauherrn bezahlen.

Im Vergleich zu älteren Gebäuden sind neue Gebäude Maschinen mit kürzerer Lebensdauer. Der Entwicklung der Digitalisierung folgend, wird immer mehr und immer „intelligentere“ Gebäudetechnik eingebaut, die im Betrieb dann deutlich höhere Folgekosten erzeugten. Die wirtschaftliche Lebensdauer differiert stark:

  • von traditionellen Bauteilen beträgt 30-100 Jahre und mehr
  • Metall-Glasfassaden 25-30 Jahre
  • Komponenten der Gebäudetechnik 15-20 Jahre
  • intelligente elektronisch gesteuerte Bauteile ca. 5 Jahre

Eine zyklische Erneuerung von Komponenten in Abstimmung mit der Nutzung und in Rücksicht auf den Bestand ist aufwändig und kostspielig, aber notwendig. Das smarte moderne Gebäude ist eher eine teure Maschine als ein langfristig werthaltiges Wirtschaftsgut.

Die Folgekosten moderner Gebäude sind deutlich höher als jene der älteren. Professionelle Nutzer rechnen in Vollkosten, also inkl. Adaptierungskosten, Miete, Betriebskosten und laufenden eigenen Betriebskosten und Reinigung. Und die Vollkosten für die Nutzung moderner neuer Gebäude sind deutlich höher als jene früherer Gebäude.

Lebenszykluskostenberechnungen sind die Methode, um festzustellen, ob sich ein Ge-bäude langfristig für alle Beteiligten rechnet. Siehe dazu die ÖNORMEN B 1801-2 aus 2011 und B 1801-4 aus 2014. Seit damals verlangen Bauherren, bei der Planung von Neubauten die Lebenszykluskostenberechnungen um daraus Folgekostentreiber zu erkennen. Planungsbüros tun sich immer noch schwer, lebenszyklusoptimiert zu planen, weil die Zusammenhänge komplex sind und die Optimierung von der jeweils konkreten Planungssituation abhängt.

Für den öffentlichen Auftraggeber ist das Bundesvergabegesetz BVergG verpflichtend. Es regelt ausdrücklich, dass „als Kostenmodell zur Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses eines Angebotes“ „eine Lebenszykluskostenrechnung herangezogen werden“ kann. Wie ein Bestbieter daraus ermittelt werden soll, hat sich eine Arbeitsgruppe der IG Lebenszyklus Bau 2016 in einem Leitfaden detailliert erarbeitet.

Aus den Erfahrungen lassen sich folgende Überlegungen für Bauherren und Planer vor Beginn der Einreichplanung für lebenszyklusoptimierte Gebäude ableiten:

  • Die Architektur sollte möglichst „intelligent“ sein, d.h. es sollten ausreichende und richtig verteilte Speichermassen in der Gebäudehülle sein, die eine stabilisierende Wirkung auf das Innenraumklima haben.
  • Das System der Erschließungs- und Versorgungsstrukturen sollte vor dem Gebäudelayout konzipiert werden.
  • Die technische Gebäudeausrüstung sollte so einfach wie möglich und so komplex wie gerade notwendig sein (KISS-Prinzip).

Diese Grundsätze für Bauherrn und Planer führen zu kosten- und umweltwirkungsorientierten Gebäuden. Die effektivste Maßnahme ist jedoch die Vermeidung jedes Quadratmeters Nutzfläche, der im Lebenszyklus nicht wirklich genutzt wird.

Helmut Floegl, Donau-Universität Krems

Helmut Floegl, Zentrumsleiter – Zentrum für Immobilien- und Facility Management, Donau-Universität Krems