Innen oder Außen? Was Stadtentwicklung Gemeinden wirklich kostet

Wie lässt sich Stadtentwicklung so bewerten, dass am Ende nicht nur schöne Bilder, sondern auch belastbare Zahlen auf dem Tisch liegen?

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Text: ÖIAV Redaktion | Foto Hohenems: Friedrich Böhringer | Abbildungen: Simon Kaufmann

Simon Kaufmann hat sich genau das gefragt – und eine Methode entwickelt, mit der Gemeinden ihre Entscheidungen zwischen Innenentwicklung und Stadterweiterung fiskalisch, also aus Sicht der Gemeindekasse, vergleichen können.

Sein Beispiel kommt aus Hohenems in Vorarlberg: eine Sanierung und Nachverdichtung in der Altstadt (1) – gegenübergestellt einer neuen Siedlung am Ortsrand (2). Zwei reale Szenarien, zwei ganz unterschiedliche Finanzierungslogiken.

Ein Werkzeug für die Praxis

Kaufmanns Ansatz baut auf der sogenannten Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) auf. Dabei werden für ein Vorhaben alle Ausgaben (z. B. Bau, Betrieb, Erhaltung) und alle Nutzen (z. B. Steuereinnahmen, geringere Infrastrukturkosten, Umwelt- und Gesundheitseffekte) über einen Zeitraum von rund 15 Jahren bilanziert.

Das Ergebnis sind Kennzahlen, mit denen sich Szenarien vergleichbar machen lassen – etwa:

  • BCR (Benefit-Cost-Ratio): Wie viel Nutzen entsteht pro investiertem Euro?
  • NPV (Net Present Value): Wie viel bleibt nach Abzug aller Kosten real übrig?
  • IRR (Internal Rate of Return): Wie rentabel ist das Vorhaben langfristig?

Damit lässt sich Entwicklung erstmals nicht nur politisch oder planerisch, sondern auch finanziell nachvollziehbar argumentieren – ein Werkzeug, das bisher in der kommunalen Praxis kaum genutzt wird.

Zwei Wege, zwei Ergebnisse

Szenario 1 – Sanierung und Nachverdichtung in der Altstadt
Die Investitionen sind vergleichsweise gering: rund 2,35 Mio. Euro.
Dafür entsteht langfristig ein stabiler Nutzen, der mit etwa 2,10 Euro pro investiertem Euro deutlich über den Kosten liegt.
Das heißt: Jeder Euro zahlt sich doppelt aus – durch geringere Folgekosten, höhere Aufenthaltsqualität und weniger Verkehr.

Szenario 2 – Neue Siedlung mit niedriger Dichte am Ortsrand
Hier fließen deutlich mehr Mittel: über 32 Mio. Euro.
Kurzfristig sieht die Bilanz gut aus, weil Grundstücksverkäufe Einnahmen bringen – bereits nach wenigen Jahren ist das Projekt im Plus.
Langfristig aber steigen die laufenden Infrastruktur- und Betriebskosten stark an. Der Nutzen-Kosten-Wert liegt bei 1,46 Euro pro investiertem Euro – also rund ein Drittel niedriger als bei der Innenentwicklung.

Kurzfristig verlockend, langfristig teuer

Die Analyse zeigt, dass Siedlungserweiterungen oft deshalb attraktiv wirken, weil sich Erlöse aus Grundstücksverkäufen in kurzer Zeit realisieren lassen – innerhalb einer Bürgermeister-Legislaturperiode.

Doch über die Jahre kehrt sich der Trend: Straßen, Kanäle, Grünflächen und technische Infrastruktur müssen erhalten werden, während die Einnahmen stagnieren.

Innenentwicklung ist zwar langsamer im Aufbau, dafür robuster und effizienter. Sie braucht weniger Kapital und liefert einen höheren Gegenwert pro investiertem Euro – ein Argument, das in der politischen Diskussion bisher selten mit Zahlen belegt wird.

Mehr als eine Rechenübung

Kaufmann betont selbst: Diese Kosten-Nutzen-Analyse ersetzt keine planerischen oder sozialen Kriterien. Aber sie ergänzt sie – und zwar mit einem Instrument, das Gemeinderäten hilft, nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen.

Dazu gehören auch Umwelt- und Gesundheitsaspekte:

  • weniger motorisierter Verkehr
  • geringere CO₂-Emissionen
  • kühlere Mikroklimata in verdichteten, begrünten Innenräumen
  • kürzere Wege zu Schule, Nahversorgung und Freizeit

Diese Faktoren fließen als monetarisierte Effekte in die Berechnung ein – basierend auf offiziellen Datensätzen (u. a. Umweltbundesamt, EEA, WHO).

Politik trifft Haushalt

Interessant ist, wie stark sich die zeitliche Perspektive auswirkt: In Hohenems zeigt sich, dass die Siedlungserweiterung im Jahr 5 erstmals positive Zahlen schreibt – also genau dort, wo in der Realität politische Amtszeiten enden. Die Innenentwicklung kippt später ins Plus, bleibt dafür dauerhaft im positiven Bereich.

Damit wird deutlich: Ob eine Maßnahme als „erfolgreich“ gilt, hängt oft vom Zeithorizont ab.

Fazit

Die Arbeit zeigt: Innenentwicklung ist oft die effizientere Strategie, wenn bestehende Strukturen genutzt und kommunale Mittel gezielt eingesetzt werden.
Sie braucht weniger Kapital, nutzt Infrastruktur besser aus und entlastet den Haushalt langfristig – vorausgesetzt, die städtebaulichen Voraussetzungen stimmen.

Sie ist damit nicht immer, aber in vielen Fällen die haushaltsschonendere Option.
Langfristig profitieren jene Gemeinden, die ihre Entwicklung nach innen steuern – ökologisch wie finanziell.

Die vollständige Masterarbeit „Eine ganzheitliche Kostenbetrachtung von städtebaulichen Maßnahmen“ von Simon Kaufmann (FH Campus Wien, 2024) steht hier zum Download bereit.