Elastan raus – Kunststoff bleibt: Neue Recyclingwege für Textilien

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Text: ÖIAV Redaktion, Bilder: Emanuel Boschmeier

Wer alte Kleidung recyceln will, trifft früher oder später auf ein bekanntes Hindernis: Elastan.

Die dehnbare Kunstfaser steckt in unzähligen Textilien – und bringt Recyclingprozesse ins Stocken: Sie wickelt sich in Maschinen, verstopft Filter und führt zu Störungen beim Materialfluss.

Das macht sie zum Problemstoff der Textilrecyclingbranche. Eine aktuelle Forschungsarbeit zeigt nun: Es gibt Wege, Elastan selektiv und umweltfreundlich zu entfernen – und so das Recycling von Kunststoffen wie Polyester und Polyamid zu ermöglichen.

Emanuel Boschmeier vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und techn. Biowissenschaften an der TU Wien wurde für sein Projekt mit dem INI-Award ausgezeichnet. (Foto: Johannes Hloch)

Eine kleine Faser mit großer Wirkung

Faserproduktion weltweit: Obwohl Elastan nur 1% ausmacht, ist es in vielen Kleidungsstücken enthalten.

Elastan macht mengenmäßig nur rund ein Prozent der weltweiten Faserproduktion aus – und trotzdem hat es große Auswirkungen: Bereits geringe Mengen reichen aus, um ein Textil für gängige Recyclingverfahren unbrauchbar zu machen. Der Grund: Elastan verhält sich in der mechanischen und thermischen Aufbereitung vollkommen anders als die übrigen Fasern – es dehnt sich extrem, schmilzt ungleichmäßig und stört so alle gängigen Recyclingprozesse.

Die Forschungsarbeit liefert gleich zwei konkrete Werkzeuge, um dieses Problem anzugehen:

  1. Ein Analyse-Tool (EQT – Elastane Quantification Tool) zur Bestimmung des Elastan-Gehalts in Textilabfällen. Das Tool wurde anhand von elf handelsüblichen Elastanproben entwickelt und nutzt ein polymerspezifisches Verhalten, das sich über spektroskopische und thermische Methoden zuverlässig nachweisen lässt. Im Vergleich zur herkömmlichen ISO-Norm ist das Verfahren nicht nur deutlich schneller und einfacher, sondern auch wesentlich umweltfreundlicher. Der sogenannte GREEnness-Score bewertet die Methode hinsichtlich Nachhaltigkeit, Aufwand und gesundheitlicher Risiken – und zeigt klare Vorteile gegenüber bestehenden Standards.
  2. Ein Trennverfahren (ESP – Elastane Separation Process), mit dem sich Elastan selektiv lösen lässt – ohne die übrigen Fasern zu beschädigen.

Technisch umsetzbar und kombinierbar

Das entwickelte Trennverfahren ESP zielt darauf ab, Elastanfasern selektiv aus Textilien zu entfernen, ohne die übrigen Bestandteile wie Polyester oder Polyamid zu beschädigen.

Grundlage ist ein ungefährliches Lösungsmittel, das gezielt Elastan auflöst und zu 99 % wiederverwendet werden kann – ein zentraler Aspekt für die ökologische und wirtschaftliche Umsetzung im industriellen Maßstab.

Die Materialproben wurden mit unterschiedlichen Methoden analysiert, darunter spektroskopische und thermische Verfahren sowie Rasterelektronenmikroskopie (SEM). Die Bilder zeigen deutlich: Nach der Behandlung bleiben reine PET-Fasern zurück, frei von Elastan-Rückständen – eine wesentliche Voraussetzung für hochwertiges Recycling.

Das Verfahren wurde nicht nur im Labormaßstab erfolgreich getestet, sondern auch für die Anwendung an gemischten Textilabfällen weiterentwickelt. In Kombination mit einem enzymatischen Prozess, der Wollfasern unter milden Bedingungen abbaut, gelingt die vollständige Rückgewinnung der Kunststofffasern. Die dabei gewonnenen Aminosäuren bieten zusätzliches Nutzungspotenzial – etwa als Rohstoff für Kosmetikprodukte oder als Bestandteil für Düngemittel.

Die Rückgewinnung hochwertiger Kunststoffe wie Polyester oder Polyamid wird dadurch erstmals auch aus komplexen Textilgemischen möglich. Besonders relevant ist dabei die Tatsache, dass das Verfahren sowohl skalierbar als auch mit bestehenden Recyclingmethoden kombinierbar ist – ein echter Fortschritt für die Kreislaufwirtschaft im Textilbereich.

Mikroskopische Aufnahmen: a) unbehandeltes PET/EL Textil, b) PET mit EL-Rückständen, c) reines PET ohne EL.

Die Rückgewinnung von Polyester wird so erstmals auch aus gemischten Textilabfällen möglich. Nebenbei entstehen verwertbare Nebenprodukte wie Aminosäuren aus Wollbestandteilen – etwa für die Kosmetik- oder Düngemittelbranche.

Behandlungsstufen: a) Wolle/PET/EL-Textil, b) nach enzymatischer Wollentfernung, c) reines PET nach EL-Abtrennung.

Relevanz für die Praxis

Ab 2025 wird die getrennte Sammlung von Alttextilien in der EU verpflichtend. Damit steigt die Menge an Textilabfällen, die nicht mehr wiederverwendet, aber auch nicht verbrannt werden sollen. Recycling ist gefragt – und dafür braucht es neue Prozesse. Die hier vorgestellte Arbeit liefert dafür ein funktionierendes Beispiel: wissenschaftlich fundiert, industriell skalierbar, kreislauffähig.

Ein Schritt in Richtung echter Kreislaufwirtschaft – und ein starkes Signal für textile Nachhaltigkeit.

Originalpublikation: E. Boschmeier et al., New separation process for elastane from polyester/elastane and polyamide/elastane textile waste. Resources, Conservation and Recycling, 198, 107215.